Sonntag, 29. November 2009

Das Gefühl, etwas zu verändern

NEON November 2009 :
Ins Meer spucken ist, wie Sand in die Wüste werfen
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Man vermisst das Gefühl, etwas zu verändern.

Fragt mich nicht, warum ich Artikel über spuckende Männer lese... jedem, der es mir nachtun möchte, empfehle ich die Novemberausgabe der NEON in geschmackvollem augenkrebs-pink (3,50€ - Artikel Seite 88 "Wasserfall"). Jedenfalls war es ein sehr kurzer Beitrag, dem sich, neben seiner unterhaltsamkeit auch obenstehendes Zitat abringen lies. Des weiteren wird die Frage aufgeworfen, wo man(n) denn noch ein richtiger Rebell sein dürfe.
Und tatsächlich, wo findet man noch Situationen, in denen man nicht nur eine weitere Hand voll Sand in einer endlosen Wüste oder ein unbedeutender Tropfen in einem unendlichen Meer ist?
Tatsächlich ist es in unserer Gesellschaft kaum noch möglich aufzufallen. Und sollte man es dennoch einmal schaffen, dann doch zumeist auch nur zum Negativen.
Klar, an meinem Auto schenke ich den Reifen auch nur Aufmerksamkeit, wenn einer von ihnen kaputt ist - nicht aber bedanke ich mich nach jeder überstandenen Fahrt bei denjenigen, die ihre Aufgabe ohne Anstalten verrichtet haben.
Wie mein klappriger Corolla, der nach jeder Fahrt wirklich einen ordentlichen Klapps auf die Schulter verdient hätte, funktioniert auch unsere Gesellschaft.
Wie könnte es auch anders sein, schon in der Kindheit wird häufig nur denjenigen Beachtung geschenkt, die aus der Reihe fallen. Wer kann es da nicht verstehen, dass manche Kleinen im Kindergarten lieber ihr Mittagessen auf den Boden feuern und Aufmerksamkeit ernten, als still das zu tun, was von ihnen erwartet wird?
Doch scheidet diese Möglichkeit, die notwendige Beachtung zu erlangen, etwa ab dem 5. Lebensjahr aus... und was dann?
Etwas in der Welt verändern - Anders sein - wird immer schwieriger jetzt, da nur das Ergebnis zählt, welches wir am Ende eines Tages vorzuweisen haben. Wenn es jedoch nur möglich ist, ein weiterer Tropfen im Meer, ein weiteres Sandkorn in der Wüste zu sein, wo und wie sollen wir es dann anstellen, etwas zu verändern?

So schlecht es auch sein mag, es gibt immer etwas Gutes - vielleicht keine Wüste, aber sicher doch einen bescheidenen Sandkasten in einem versteckten Hinterhof. Wenn wir nun alle unsere Hand voll dazu beitragen, dieses Gute immer größer und immer bedeutender werden zu lassen und wir es nicht dabei belassen, unseren Sand abzugeben und weiter zu gehen, sondern mehr und mehr Menschen auffordern, es uns gleich zu tun, dann können wir etwas begewegen!

Jede Hand zählt! Und jede Hand, die wir reichen um anderen den Weg zu weisen, zählt doppelt und dreifach!
Niemand kann einen Sandkasten aufhalten, wie klein er auch zu Anfang gewesen sein mag, der von tausenden Händen befüllt worden ist - er wird über seine Begrenzungen treten, den Hinterhof überfluten und schließlich auf die Straße treten - weiter wachsen oder abgetragen und zerstreut werden. Aber wer übersieht einen Berg aus Sand, wenn er erstmal auf der Straße angekommen ist? Dann haben wir wirklich etwas begegt!

Dienstag, 24. November 2009

Eine kurze Notiz zum Stand der Menschlichkeit

Wem es die drei Stunden Lebenszeit und den Überlänge-Zuschlag wert ist, der sollte sich umbedingt ins Kino seines Vertrauens begeben und sich 2012 zu Gemüte führen - der neue Action-Streifen der Schöpfer von "The Day After Tomorrow" und "Independance Day".
Der Film beschreibt eine moderne "Arche Noar" Geschichte - was die Maya schon vorrausgesehen haben sollen, tritt im Jahr 2012 auch ein: Die Welt, wie wir sie kennen, geht unter.
Unter der Führung des - dem neusten Trend entsprechend - afroamerikanischen US-Präsidenten haben die G8-Staaten eine Flotte gigantischer Schiffe bauen lassen, in denen einige Tausend Menschen die Katasptrophe überleben könnten.
Der Preis für ein Leben nach dem Tod der Welt: eine Milliarde Dollar!

So sehr halsbrecherische Szenen, in denen Flugzeuge durch einstürzende Hochhäuser fliegen auch Geschmackssache sind, so verstummt doch jede Kritik ob der erschlagenden Gewalt des Bildes, welches der Film von der Menschheit zeichnet.
Mal im Ernst, wer würde denn eine solche Katastrophe überleben? Eine Positivauslese des menschlichen Genpools? Oder die Reichen und Einflussreichen? Wie würde eine Gesellschaft aussehen, die auf einer sochen Basis begründet ist?

Gestern durfte ich selbst erfahren, wie akut das Problem der (Un-)Menschlichkeit tatsächlich ist.
Ich war, bei dem Versuch einem Fahrradfahrer auszuweichen, von der Straße abgekommen und über Kies in den Wald gerutscht. Auch wenn mir nichts weiter passiert war, hatten sich die Räder schnell im nassen Waldboden festgefahren und ohne die Hilfe eines Schaffarmer-Ehepaares, die erst mit ihrem Geländewagen versuchten, mir zu helfen und mir schließlich noch einen Abschleppwagen zu organisieren.
Obwohl der Radfahrer - ob nun absichtlich oder nicht - sich direkt aus dem Staub gemacht hat, ist mir an diesem Abend im Wald einiges über das Wesen des Menschen klar geworden. Dieses Ehepaar, das mir ihren Sonntag Abend geopfert hat und das gute Dutzend weiterer Personen, die anhielten um Hilfe anzubieten, haben die wahre Bedeutung von Menschlichkeit verstanden.
Brechen wir es also auf dein der Finanzgesellschaft verständliches Maß herunter: Menschlichkeit sei eine Währung, die Welt ein Konto und unser Leben eine ständige Aneinanderreihung von Ein- und Auszahlungen. Für meine Retter in der Not war diese Nacht zwar ein großes Opfer an Zeit und Mühe, jedoch auch ein großes Plus auf ihrer Seite des Menschlichkeits-Kontos.
Es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass ich irgendwann die Möglichkeit haben werde, mich bei diesen beiden persönlich zu revangieren, dafür werde ich mich aber bei der nächsten Gelegenheit die sich mir bietet, darum bemühen, meine Schulden zurückzuzahlen. Es ist meine tiefe Hoffnung, dass sich diese Kette so fortsetzen kann, und somit auch meinen Helfern geholfen wird, sollten sie es jemals brauchen.

Wie erziehe ich mir ein Meinungs-Vakuum?

14. Juli 1789
„Beginn“ der französischen Revolution. 89 Demonstranten sterben.

22. Februar 1943
Sophie Scholl wird für Pro-Demokratischen Protest von der SA hingerichtet.

7. Oktober 1989
„Wir sind das Volk“ verkünden Zehntausende Teilnehmer der „Montagsdemos“ in der DDR.

Demokratie hat einen langen Weg hinter sich. Heute jedoch ist Demokratie in Klassenzimmer gesperrt und zwischen Schulbuchtitel gepresst. Lediglich einmal im Jahr schwenkt man die Fahne der Demokratie, verteilt Wahlzettel und lässt Schüler ihre Vertreter wählen.
Jedoch scheitert das Modell in beide Richtungen – teilweise gibt es für Ämter gar keine Bewerber, selten muss man sich zwischen mehr als zwei Parteien entscheiden. Große Teile der Stimmen werden nach Sympathie vergeben.
Zu sehen sind hier lediglich die Symptome einer Krankheit, die eine ganze Generation befällt. Akutes Meinungs-Vakuum.
Meinungsfreiheit erlernt man nicht in Klassenräumen oder aus Büchern. Meinungsfreiheit lernt man im Stehen, notfalls auch im Regen!

Woran liegt es, dass Schüler der 11. Klasse nicht wissen, welche die einzige Partei der DDR war?
Woran liegt es, dass Schüler fragen, ob sie fürs Demonstrieren bestraft werden können?
Woran liegt es, dass Lehrer eher durchs Fenster in die Schule zurück klettern, als für ihre Rechte einzutreten?

Liegt es daran, dass wir in unserer leistungsorientierten Gesellschaft lediglich Wert auf die Vermehrung des enzyklopädischen Wissens und nicht aber der Fähigkeit zur eigenen Meinungsbildung legt?
Leistungsdruck und Versagensängste lassen wenig Platz für kritische Gedanken.

„Jedes Herz ist eine revolutionäre Zelle“

Solange wir uns nicht trauen, eine Meinung zu haben, ersticken wir einen wesentlichen Teil unserer selbst. Niemand soll sich von diesem Aufruf zum Aktivismus jedoch animiert fühlen, gesellschaftliche Werte fallen zu lassen. Denn pöbelnd vor den Türen der Paläste erreicht man nichts. Vielmehr ist jeder dazu aufgerufen, so weit wie möglich zu kommen, seine Ideale mit sich zu tragen und dann zu agieren, wenn der Einfluss am größten ist.

Die Demokratien in Deutschland gibt uns allen, ungeachtet von Alter und Status, das unveräußerliche Recht, für unsere Gedanken auf die Straße zu gehen.

Art. 8 GrundGesetz der Bundesrepublik Deutschland
(1)Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

Über-Instanzierungen von Individuen machen Angst davor, dieses Recht einzufordern.
„Protest“ lebt gerade davon, etwas zu tun, das nicht dem vorherrschenden Willen der derzeitigen Ordnung entspricht.
Noch einmal:
NIEMAND kann dafür bestraft oder benachteiligt werden, sein Bürgerrecht zu beanspruchen.
Gegen aktuelle Missstände zu protestieren heißt nicht, Anti-Demokratisch zu sein.
„Diktatur“ ist, wenn sich einer hinstellt und befiehlt - „Demokratie“ ist, dass WIR es wollen.

Lasst euch informieren! Informiert euch, informiert andere!
Bildet euch eine individuelle Meinung von der Welt um euch herum!
Tauscht euch aus! Korrigiert wenn nötig eure Irrtümer!
Steht zu eurer Meinung, aber seit offen für die Ansichten anderer!
Geht auf die Straße!